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Feiern & Tanzen - was für Zeiten!

Mi
16
Apr
2014

Ernst Rudert - Gastwirt in Eschenbach = Kunsthaus EigenregieRespekt! Vor mir liegen die ältesten bekannten Unterlagen zur über 200-jährigen Geschichte unseres Hauses. Die Urenkelin der früheren Gastwirtschaftsfamilie gab uns diesen Familienschatz leihweise und wir konnten von allen Unterlagen Scans machen. Mit dabei: das Tanzbuch der Königlichen Amtshauptmannschaft. Auch die in Bütten gebundene Kaufurkunde von 1836 blieb erhalten - sehenswert!

Vor einem Jahr klingelte unser Telefon und eine charmante ältere Dame fragte, ob sie das Kunsthaus Eigenregie einmal mit allen seinen Räumen sehen dürfte. Und sie erzählte aus ihrem Leben kleine Episoden: genau aus diesem Haus! Es war die Enkelin des letzten Gastwirts, deren Familie schon im Jahr 1836 das Anwesen erwarb. Natürlich luden wir die schüchtern fragende Frau ein, zeigten ihr jeden Winkel und saßen bei Kaffee und Kuchen zusammen. Sie erzählte aber nicht nur aus ihren Kindertagen bei ihrem Opa, sondern sie hatte noch eine Überraschung für uns - in ihrem Erbe befanden sich noch Urkunden und amtliche Dokumente des Hauses. Wir hatten im Dorf schon die eine oder andere Erzählung über die Gastwirtschaft gehört - aber noch nie sahen wir Zeitdokumente oder trafen Menschen, die etwas über die Gastwirtschaft vor dem zweiten Weltkrieg berichten konnten.

Kaufurkunde von 1836 der Gastwirtschaft in Eschenbach = Kunsthaus EigenregieWir strahlten vor Freude und löcherten die sichtlich berührte Dame zu jedem Detail über das Haus und ihren Opa. Und während sie mit uns sprach, kamen aus ihrer Tasche vergilbte Papiere zum Vorschein - sie hatte alles was sie besaß mitgebracht! Und so legte sie die in Büttenpapier gebundene und mit Federkiel geschriebene zehnseitige Kaufurkunde auf den Tisch. Das gute Stück hat sichtbar viel erlebt, einige Eselsohren, Knicke und bleich gewordene Tinte. Jetzt suchen wir jemanden, der in der Lage ist die vermutlich deutsche Kurrentschrift noch zu lesen. Hier das Deckblatt der Kaufurkunde von 1836.

Bisher glaubten wir auch, dass die Gastwirtschaft erst um die Zeit des ersten Weltkriegs entstanden war. Jetzt konnten wir in den Unterlagen lesen, dass es schon früher einen Ballsaal gegeben haben muss, denn bei einer Baugenehmigung durch die Königliche Amtshauptmannschaft Oelsnitz im Jahr 1914 heisst es: "anstelle des abgebrannten Saales" dürfe wieder ein solcher errichtet werden. Und von der Enkelin des letzten Wirtes hörten wir von der Geschichte mit glücklichem Ausgang, denn der Urgroßvater brachte nur noch den Ausbau des Gasthauses auf den Weg und musste dann in Ersten Weltkrieg ziehen - kam aber unversehrt zurück.

Genau ab dann datiert das Tanzbuch. Denn am 23. März 1919 wurde mit deutscher Gründlichkeit laut "Verordnung des Königlichen Ministers des Inneren über Tanzvergnügen von 1910" die erste Feier im neuen Ballsaal angemeldet und genehmigt. Dafür musste der Wirt unglaubliche 3 Reichsmark Gebühr berappen - damals kostete ein Liter Schankbier gerade einmal um die 20 Pfennig.


Tanzbuch des Gasthauses in Eschenbach - Nazizeit Das Tanzbuch ist ohnehin ein Kuriosum, da es aus der Zeit des letzten sächsischen Königs stammt, in der Nazizeit benutzt und selbst bis in die Anfangszeit der DDR brav und fleissig fortgeführt wurde. Der letzte Eintrag datiert vom 18.03.1950. Dafür waren die Eschenbacher konsequent: im zweiten Weltkrieg gab es keine offiziellen Tanzvergnügen im Gasthaus. Am 12. Februar 1939 war schon Schluss mit Lustig. Sollte ein Leser aus Schöneck noch sehr betagte Großeltern haben, die früher zum Abtanzen nach Eschenbach kamen, würden wir gerne mehr über diese Zeitspanne wissen. Und wir suchen nach weiteren Fotos aus dieser Zeit. Als Dankeschön gibt es eine künstlerische Fotoarbeit von Ines.

 

von Mario Falcke 16.04.2014, 08:20 h


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